La Torre Cantina
Der Keller-Turm von Gramogliano ist schon durch seine Bezeichnung das Projekt einer architektonischen Synthese zwischen widersprüchlichen Konzepten:
– zwischen dem Turm, der sich nach oben erhebt, und seiner Basis, die in den Boden eingesunken ist;
– Zwischen der inneren, auf vier Punkten aufliegenden Kugelkappe und den quadratischen Böden fehlt das Material genau in der Mitte;
– zwischen den schrägen Wänden eines alten Bastionswerks und dem Hohlraum, der hinter den großen Terrakottaplatten verborgen ist, die sie verkleiden.
Auch die Materialien, mit denen der Turm gebaut ist, werden radikal anders eingesetzt als in der traditionellen Bauweise:
– Die Holzböden bestehen aus Brettschichtholzbalken, deren Dimension stets kleiner ist als die zu überspannende Fläche, ähnlich wie bei den Übungen des 18. Jh. von Rondelet;
– Zwischen der inneren, auf vier Punkten aufliegenden Kugelkappe und den quadratischen Böden fehlt das Material genau in der Mitte;
– Das vierseitige Dach, mit Rheinzink verkleidet, wird aus einem einzigen großen Balken gewonnen, der in vier gleichschenklige Trapeze geschnitten ist, sodass diese nach innen geneigt aneinander stoßen wie die vier Dachflächen eines pyramidalen Daches;
– Die Terrakotta-Elemente, die traditionell nie größer als 50–60 cm sind, werden hier in großen Platten von 280 × 60 cm verwendet, hergestellt aus dem harten Impruneta-Ton mit Harz;
– Die großen Platten sind schließlich an zwei inneren Stahlachsen aufgehängt und nicht an den Rändern, während eine dritte Achse ihre Neigung reguliert.
Die vier Stockwerke des Turms sind in der Mitte von vier kreisförmigen Öffnungen durchbohrt, deren Durchmesser von unten nach oben nach einer künstlichen Perspektive abnimmt. Blickt man vom dekorierten Kellerboden zum Dach, erscheint der Turm viel höher, als er tatsächlich ist.
Innerhalb dieser konischen Öffnung, am Zenit des Daches über ein Kugellager aufgehängt, das ein Verdrehen des sehr dünnen Stahlfadens verhindert, schwingt eine große Kugel an einem 13,5 m langen Seil. Auf dem Boden, über dem die Kugel schwingt, ist eine Uhr nach dem Vorbild der Schaffhausener Uhr eingraviert, die die Erdrotation während des langsamen Pendelschwingens anzeigt.
Man könnte sich fragen, warum dieser kleine Keller-Turm eine so große Anzahl von Problemen bewältigen und lösen musste; die Antwort ist einfach: Er war der Versuchsort einer universitären Forschung über Materialtechnologien der Tradition, die hier zum ersten Mal extrem und bisher nie erprobt eingesetzt wurden.
Im Vergleich zu anderen Forschungsbereichen benötigt die Architekturforschung eine Endkontrolle, die im gebauten Werk besteht. Das bedeutet, dass man zwar die Montagetechnologie einiger industrieller Bauteile innovieren kann, aber der technologisch überprüfbare und ästhetisch bewertbare Nachweis nur durch den Bau des Werkes erbracht werden kann, dessen Bestandteile diese Bauteile sind.
Die gebaute Architektur ist zudem der stärkste Kommunikator, was Baumaterialien und neue Technologien betrifft. In der Kellerei von Gramogliano lässt sich technologische Innovation kontrollieren und demonstrieren. Unter Nutzung des visuellen und taktilen Effekts wird das Gebäude zu einem technologisch vollständigen, ästhetisch ansprechenden Modell. Wenn es darüber hinaus ein Beispiel guter Architektur ist, wird es gewissermaßen zu einem Prototyp.
Aber welche technologischen Entwicklungsinteressen wurden in der Perusini-Kellerei im Rahmen der experimentellen Forschung verfolgt?
Die Entwicklung der Cottostone-Plattentechnologie „außerhalb der Vertikalebene“ für hinterlüftete Wände und von Cottostone-Zierleisten, hergestellt durch Verklebung langer und schmaler Profile aus recyceltem Terrakotta;
die Entwicklung der Brettschichtholztechnologie, angewendet auf die Verklebung gebogener Elemente zur Bildung von Schalen oder Kugelkappen oder zur Herstellung von Decken. Letztere sind so konzipiert, dass sich Zustände von Vorspannung bilden, ermöglicht durch das Zuschneiden der Balken mit schrägen Seitenflächen, die es ihnen erlauben, sich wie Schlusssteine eines Steinbogens zu verhalten.
Eine abschließende Anmerkung: Das neue europäische Gesetz, das die universitäre Forschung von nationalem Interesse regelt, verlangt die Erprobung und den Bau von Prototypen in den entsprechenden Industriezweigen. Dies ist seit langem in nord- und westeuropäischen Universitäten üblich.
Obwohl die Anwendung des europäischen Gesetzes zur wissenschaftlichen Forschung in Italien erst kürzlich erfolgt ist, stellt der Turm von Gramogliano das einzige „realisierte“ Beispiel in unserem Land dar.
Augusto Romano Burelli
April 2003
Forschungsgruppe:
– prof. Augusto Romano Burelli, Dipartimento di Progettazione Architettonica, IUAV
– prof. Gianfranco Roccatagliata, Dipartimento di Costruzione dell’Architettura, IUAV
– arch. Maurizio Trevisan, assistente incaricato IUAV, progetto architettonico
– prof. Franco Laner, Dipartimento di Costruzione dell’Architettura, IUAV
– ing. Francesco Stefinlongo,calcolo strutture in acciaio e strutture a guscio
– arch. Emanuele Garbin, ricercatore IUAV, specialista progettazione CAD 3D
– arch. Francesco Migliorini, progettista CAD 3D.